Marketingmanagement III: Strategie

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In diesem Beitrag wird der Bereich Strategie des Marketingmanagements vorgestellt. Er ist der dritte Teil einer Serie, zum Teil I geht es hier. In diesem Teil werden die Prinzipien von Segment, Ziel und Position vorgestellt. Außerdem wird erläutert, wie Segmente und Ziele identifiziert und wie ein Positionsstatement erstellt werden kann.

Nachdem in Teil II die Situation analysiert wurde (5 C: Kunde, Unternehmen, Wettbewerb, Partner und Umfeld), werden diese Informationen nun genutzt, um eine Marketingstrategie zu formulieren. Im Prinzip geht es bei der Strategie darum, die Erkenntnisse in Handlungen zu überführen. Die Strategie kann dabei mit STP beschrieben werden: Segment, Ziel (Target) und Position.

Segment

Grundsätzlich ist jeder Kunde individuell. Nichtsdestotrotz können im Kundenverhalten Muster und Gruppierungen entdeckt werden. Diese können genutzt werden, um herauszufinden, was ein Kunde im Produkt sucht oder nicht sucht.

Eine Möglichkeit, Kundenwünsche zu clustern, ist ein Anforderungsdiagramm. Das folgende Beispiel enthält fiktive Kundenwünsche zu einem Fantasieprodukt, zum Beispiel einem Auto, die nach Geschwindigkeit und Kraft aufgetragen sind.

Jeder graue Punkt repräsentiert einen Kunden. Es ist deutlich zu erkennen, dass jeder Kunde leicht andere Wünsche bezüglich Kraft und Geschwindigkeit besitzt. Nichtsdestotrotz lassen sich zwei Cluster oder Segmente bilden. So gibt es links oben das Segment für hohe Kraft, und niedrige Geschwindigkeit (z.B. ein Traktor). Andere Kunden wollen hohe Geschwindigkeit, aber niedrige Kraft (z.B. ein Sportwagen). Durch diese Auftragung kann herausgefunden werden, welche Kundengruppen adressiert werden könnten.

An dieser Stelle soll ein kleiner Konflikt hervorgehoben werden. Warum sollte man nur an eine Kundengruppe verkaufen? Idealerweise möchte man doch an alle verkaufen. Dies ist natürlich völlig richtig, allerdings geht es hier nicht um den Verkauf, sondern um das Marketing. Globalgalaktisches Marketing ist nicht wünschenswert, hier ist eine Unterteilung nach Kundenwünschen sinnvoll.

Dies lässt sich gut am obigen Beispiel erklären. Wird nur das Segment „hohe Kraft/niedrige Geschwindigkeit“ als Ziel identifiziert, so wird den Kunden genau das versprochen – und natürlich auch geliefert. Sollen plötzlich beide Segmente beliefert werden, dann, ja, was dann? Wie sieht das Produkt aus, das gleichzeitig hohe Kraft und niedrige Kraft sowie hohe Geschwindigkeit und niedrige Geschwindigkeit liefert? Liefert es vielleicht mittlere Kraft und mittlere Geschwindigkeit? Dies würde keine der Kundenwünsche erfüllen. Gleichzeitig wäre es nicht konkurrenzfähig, da die Wettbewerber ja die Kundensegmente bespielen und somit Produkte anbieten könnten, die die Kundenwünsche deutlich besser erfüllen.

Zusammengefasst können durch Segmentierung Kundenwünsche effektiver angesprochen und erfüllt werden. Dies verringert das Risiko durch Konkurrenz und erhöht die Chance, dass Kunden dem Unternehmen oder Produkt treu bleiben.

Die praktische Umsetzung ist leider meist komplizierter als dieses abstrakte Beispiel. Eine zentrale Frage ist, welche und wie viele Kriterien denn zur Segmentierung gewählt werden sollen. Häufig wird hier die Demografie genutzt, also Kunden nach Geschlecht, Alter, Bildung oder Einkommen aufgeteilt. Auch werden Kundengruppen häufig geografisch unterteilt.

Eine andere Möglichkeit wäre Kundenverhalten als Kriterium. So gibt es z.B. Erstkunden oder treue Kunden, markenloyale Kunden oder immer vergleichende Kunden, oder intensives oder weniger intensives Nutzerverhalten.

Welches dieser Kriterien ist das richtige bzw. das beste? Die naheliegende Antwort ist: Das kommt darauf an. Tatsächlich ist die Frage aber falsch gestellt. Die genannten Kriterien Demografie, Geografie und Kundenverhalten sind keine echten Kundenwünsche oder Anforderungen. Stattdessen sind sie bereits Beobachtungen, wie Kundenwünsche segmentiert werden können. Es ist daher sinnvoll, die darunterliegenden Kundenwünsche zu betrachten und als Kriterien für das Anforderungsdiagramm zu nutzen.

Ziel (Target)

Die am Ende des vorigen Abschnitts beschriebenen Kriterien Demografie, Geografie oder Kundenverhalten können verwendet werden, um das ausgewählte Kundensegment in der realen Welt zu finden. Okay, aber wie wird das richtige Segment ausgewählt? Wie wird das richtige Ziel ausgewählt?

Nachdem im vorigen Schritt die verschiedenen Segmente identifiziert wurden, müssen die Kunden- bzw. Marktsegmente nun verglichen werden. Kriterien können die Größe oder das Wachstum des Segments sein. Relevant ist auch die Frage, ob schon ein eigenes Produkt existiert, welches die Kundenwünsche in einem Segment abdeckt, und damit verbunden, der Wettbewerbsvorteil dieses Produktes.

Ein typisches Problem an dieser Stelle ist, dass der Markt zu fein unterteilt wird. Dies führt dazu, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen Segmenten sehr klein und eigentlich irrelevant sind. Dies macht sich bemerkbar, wenn festgestellt wird, dass man doch auch recht einfach mehrere Segmente abdecken könnte. Grundsätzlich ist es eine valide Strategie, mehrere Segmente abzudecken, falls ein Unternehmen dies leisten kann, jedoch sollte dann auch die Frage gestellt werden, ob die Segmentgröße richtig gewählt wurde.

Zusammengefasst sind Märkte eigentlich immer zu groß für ein einzelnes Produkt, das alle Bedürfnisse erfüllt. Stattdessen muss ein Segment ausgewählt werden, das erfolgsversprechend scheint, und auch realistischerweise bedient werden kann.

Position

Nachdem das Kundensegment ausgewählt wurde, muss dieses nun durch Marketing angesprochen werden. Dazu wird die Position gebildet, die dann konsistent durch Produkte, Preise, Werbung, und so weiter, vermittelt wird.

Grundlagen

Das Positionsstatement, das intern genutzt wird, um diese Position zu beschreiben, sollte daher ähnlich zu einer Vision wirken. Es sollte auf einer höheren Ebene beschreiben, welche Kundenbedürfnisse abgedeckt werden. Im obigen Beispiel könnte ein Statement sein, dass die hergestellten Produkte die schnellsten aller Produkte darstellen. Oder die stärksten. Oder die günstigsten. Diese Statements decken nicht drei Produktattribute ab, sondern drei verschiedene Segmente.

Es ist dabei zu bedenken, dass Kunden nach Lösungen für ihre Bedürfnisse suchen. Sie interessieren sich nicht zwingend für Technologie, sondern dafür, wie die Technologie ihre Bedürfnisse erfüllt.

Ein hilfreiches Werkzeug, die Konkurrenz anhand der Erfüllung der Kundenbedürfnisse zu beurteilen, ist die Wahrnehmungskarte. Im folgenden Fantasiebeispiel stellt nun jeder graue Punkt einen Konkurrenten dar.

Wird nun die Wahrnehmungskarte mit dem Anforderungsdiagramm verglichen, so ist leicht ersichtlich, dass das Segment „hohe Kraft/niedrige Geschwindigkeit“ (oben links) bereits gut mit Wettbewerbern gefüllt ist. Das Segment „niedrige Kraft/hohe Geschwindigkeit“ (unten rechts) ist stattdessen gar nicht befüllt, sodass hier eine Marktlücke existiert.

Positionierung erlaubt außerdem, die Handlungen des Marketings zu priorisieren. Manche Handlungen sind zentral wichtig für die Positionierung, während andere vielleicht nur ganz nett wären, wenn man sie denn irgendwann umsetzen könnte.

Es gibt leider viele Möglichkeiten, hier Fehler zu begehen. Ein typischer Fehler ist Unterpositionierung, indem dem Kunden nur ein vages Gefühl vermittelt wird, warum sie dieses Produkt kaufen sollten. Das Gegenteil, Überpositionierung, erzeugt ein zu enges Bild, und zwängt das Produkt in eine Nische mit loyalen, aber wenigen Kunden. Verwirrende Positionierung kann entstehen, wenn zu viele Kundenwünsche auf einmal adressiert werden, sodass am Ende niemand mehr weiß, was das Produkt denn jetzt am besten kann. Letztlich sollte auch eine zweifelhafte Positionierung vermieden werden, bei der der Kunde die angepriesenen Vorteile einfach nicht glauben kann.

Positionsstatement

Der Aufbau eines Positionsstatements unterscheidet sich nur wenig von anderen Konzepten wie Value Proposition oder Unique Selling Proposition. Zum Aufbau werden vier Informationen benötigt, die in den Analyse- und Strategiephasen erzeugt wurden:

  • Zielsegment: Eine kurze Beschreibung des Zielsegments (oder eine Beschreibung pro Zielsegment), aus welcher eine Handlung abgeleitet werden kann.
  • Hauptvorteile: Die zentralen Vorteile, die das Produkt von denen der Konkurrenz unterscheiden. Es sollten nicht mehr als drei Vorteile sein, und es sollten keine Features sein, sondern echter Mehrwert für den Kunden.
  • Bezugsrahmen: Die Produktkategorie, in der sich das Produkt befindet.
  • Beweise: Idealerweise werden Dinge nicht behauptet, sondern belegt. Dies erhöht die Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit des Unternehmens.

Aus diesen Informationen ergibt sich ein einfaches Format für das Positionsstatement:

Für das Zielsegment ist das Produkt das einzige Produkt im Bezugsrahmen, das Hauptvorteile bietet, da Beweise.

Zusammenfassung

Der Dreiklang aus Segment, Ziel und Position bildet die Mitte des Marketingframeworks. Aufbauend auf der Analyse, vor allem der Kundenanalyse, bilden Segment, Ziel und Position die Basis für die Handlungen, die in den nächsten Teilen beschrieben werden.

Damit Marketing effizient sein kann, ist es nach wie vor zentral wichtig, dass die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden verstanden werden. Diese Wünsche und Bedürfnisse müssen die Grundlage der Strategie darstellen, und sollten nicht durch Beobachtungen wie Demografie oder Kundenverhalten ersetzt werden. Nur so kann eine ehrliche Positionierung erfolgreich sein, die dann konsequent umgesetzt werden muss.

Abschließend folgt eine Empfehlung einer Podcast-Folge: Dingman Bootstrapped, Bob London: Not Getting Customers? Try Asking Why, 30. Januar 2017.

Marketingmanagement II: Kundenanalyse

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In diesem Beitrag werden Konzepte zur Kundenanalyse vorgestellt. Der Beitrag ist der zweite Teil einer Serie zu Marketingmanagement, zum Teil I geht es hier. Die Kundenanalyse umfasst die drei wesentlichen Modelle, wie Kunden Kaufentscheidungen treffen, und Faktoren, die das Kundenverhalten beeinflussen.

Kundenverhalten

Trifft ein Kunde eine Kaufentscheidung, so werden dabei mehrere Schritte oder Phasen durchlaufen. Die Länge, Gewichtung (und Existenz) dieser Phasen ist dabei extrem individuell. Nichtsdestotrotz geben die vier Phasen einen guten Überblick, wie der Kunde zur Kaufentscheidung gelangt.

Bedürfnis erkennen

Der erste Schritt des Kaufentscheidungsprozesses ist die Erkenntnis des Kunden, dass ein Bedürfnis existiert. Außerdem wird hier üblicherweise verlangt, dass der Kunde erkennt, dass das Bedürfnis durch ein Produkt oder eine Produktkategorie befriedigt werden kann.

Ein Bedürfnis entsteht, wenn der Kunde einen Unterschied zwischen dem derzeitigen und dem erwünschten Zustand bemerkt und beschließt, diesen Unterschied zu minimieren. Dies kann durch interne oder externe Stimuli geschehen. Interne Stimuli wären zum Beispiel, falls der Kunde Hunger oder Durst bemerkt und diesen Zustand beenden möchte.

Externe Stimuli sind aus Marketingperspektive interessant, denn hier existieren mehrere Hebel. Zum einen kann der Unterschied zwischen aktuellem und Wunschzustand überhaupt erst einmal dargestellt werden, damit der Kunde bemerkt, dass hier ein Unterschied vorliegt. Weiterhin kann der Unterschied vergrößert werden, indem der erwünschte Zustand als noch besser dargestellt wird, als der Kunde derzeit denkt. Dazu können tolle neue Features oder Möglichkeiten dargestellt werden, um im Kunde nicht nur ein Bedürfnis, sondern einen Traum zu wecken. Andererseits kann der wahrgenommene derzeitige Zustand verschlechtert werden. Hier könnte beispielsweise erwähnt werden, dass der aktuelle Zustand total umweltschädlich ist, sodass der Kunde mit dem derzeitigen zustand unzufriedener wird.

Informationen sammeln

Nachdem der Kunde ein Bedürfnis identifiziert hat, werden Informationen zur Befriedigung dieses Bedürfnisses gesammelt. Dazu erfolgt eine Sammlung von Informationen, bei denen der Kunde Produkte oder Leistungen sammelt. Diese Informationen können aus dem Gedächtnis stammen (interne Quelle), aus Empfehlungen von Freunden oder Verwandten (private Quelle), aus Internetrecherchen, Magazinen und Fachartikeln (öffentliche Quellen), und natürlich auch aus der Werbung (marketingkontrollierte Quellen).

Die Menge der gesammelten Informationen ist höchst individuell. Nichtsdestotrotz gibt es Trends. Üblicherweise werden für hochpreisige oder risikobehaftete Käufe mehr Informationen gesammelt. Außerdem steigt die Informationsmenge mit der Bildung, Einkommen, Alter und Intelligenz des Kunden. Zusätzlich sammeln Frauen im Schnitt mehr Informationen als Männer.

Da sowohl die Menge, als auch die Quellen höchst individuell sind, kann man sich hier verschiedene Marketingstrategien vorstellen. So könnte ein Ansatz sein, die Informationen für den Kunden möglichst einfach zugänglich zu machen, um die Informationssammlung möglichst leicht zu machen. Eine andere Variante könnte das genaue Gegenteil sein, indem dem Kunden Informationen nur in speziellen Geschäften oder an Hotlines zugänglich sind. Auf diese Art werden die Informationen kontrolliert, und es wird nach ernsthaft interessierten Kunden gefiltert. Eine weitere Strategie könnte das Beeinflussen von Empfehlungen sein, zum Beispiel durch wohlwollende Rezensionen.

Alternativen evaluieren

Nachdem der Kunde viele Informationen gesammelt hat, werden die möglichen Optionen auf typischerweise drei oder vier Alternativen reduziert. Dazu bildet der Kunde unwissentlich Kategorien, und diese Kategorien beeinflussen, wie der Kunde das Produkt betrachtet. Diese Betrachtung, und damit die Kategorisierung, möchte Marketing natürlich kontrollieren. Dazu könnte ein Unternehmen zum Beispiel eine neue Marke gründen, die als Luxusmarke und damit in der Luxuskategorie wahrgenommen wird.

Als nächstes wird der Kunde die ausgewählten Optionen bewerten. Vielleicht bewertet der Kunde dies extrem rational, indem er Attribute erstellt, diese nach Wichtigkeit ordnet, danach jede Option mit diesen Attributen bewertet und anschließend alles zusammenzählt. Wahrscheinlicher ist, dass hier auch emotionale Komponenten mit einfließen, und dass manche Attribute durch leichter zugängliche Eigenschaften ersetzt werden. Beispielsweise könnte die Marke als Synonym für hohe oder niedrige Qualität gelten, oder auch für hohe oder niedrige Preise.

Möchte Marketing diese Phase beeinflussen, muss verstanden werden, welche Attribute und Eigenschaften des Produktes für den Kunden besonders wichtig sind.

Produkt auswählen und kaufen

Am Ende des Prozesses steht der Kauf eines Produktes. Der Kunde hat somit den Kaufprozess abgeschlossen.

Im Anschluss gibt es eine weitere Phase, in der der Kunde entscheidet, ob er mit dem Produkt zufrieden ist oder nicht. Diese Phase wird als Post-Kauf-Phase bezeichnet. Sie spielt für die eigentliche Kaufentscheidung keine Rolle, beeinflusst aber weitere Kaufentscheidungen des Kunden, und darf daher nicht ignoriert werden. Gleichzeitig kann der Kunde seine Zufriedenheit oder Unzufriedenheit auch Freunden oder Bekannten mitteilen, sodass auch Kaufentscheidungen anderer Personen beeinflusst werden.

Hier kann Marketing versuchen, die Zufriedenheit des Kunden steuern. Dies könnte durch Geld-zurück-Garantien geschehen, oder durch Einladungen in einen VIP-Käufer-Club. Natürlich spielt auch Support eine Rolle, falls der Kunde weitere Fragen zum Produkt hat. Letztlich ist die Zufriedenheit des Kunden aber vor allem davon abhängig, ob der Kunde mit dem gekauften Produkt sein Bedürfnis befriedigen kann.

Modelle zur Kaufentscheidung

Die vier beschriebenen Phasen sind nicht allgemeingültig. Je nach Produkt (oder Kunde) werden nur manche dieser Phasen durchlaufen. Hier gibt es verschiedene Modelle, die abhängig von der Existenz und Gewichtung der Phasen beschreiben, welchen Einfluss Marketing auf die Kaufentscheidung haben kann.

Utilitaristisch/Hoher Miteinbezug

Ein Kunde stellt fest, dass der alte Laptop, den er seit Jahren benutzt, nicht mehr die benötigte Leistung liefert. Es ist Zeit für einen neuen Computer. Diese Lücke in den Bedürfnissen löst den Kaufentscheidungsprozess aus.

Der Kunde vergleicht Alternativen, Marken und Funktionen wie Speicher, ob es ein DVD-Laufwerk gibt, RAM, Akkulaufzeit, Gewicht, Größe und so weiter. Vielleicht hat er sogar eine starke Markentreue, wenn er einen neuen Laptop kaufen möchte, weil er mit der Leistung einer bestimmten Marke in der Vergangenheit zufrieden war und ihm vertrauen. In diesem Fall könnte er trotz der Vergleichbarkeit der technischen Daten einen teureren Laptop wählen. In diesem Falle ist also der Preis nicht der entscheidende Faktor. Stattdessen wird der beste Laptop ausgewählt, basierend auf gesammelten aktuellen Informationen und solchen aus der Vergangenheit. Diese Faktoren, die die Entscheidung beeinflussen, zeigen, wie unterschiedlich die Wahl der Verbraucher ist. Was dieser eine Kunde für einen Laptop für wichtig hält, ist möglicherweise nicht das, was jemand anderes schätzt. Außerdem ist jemand anderes vielleicht nicht dazu bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Letztendlich basiert die Wahl auf Kompromissen konkurrierender Alternativen.

Anschließend folgt die Nutzung des Laptops. Dazu wird die Leistung viele Konsequenzen haben. Wie zufrieden der Kunde mit der Kaufentscheidung ist, hängt von der tatsächlichen Leistung ab. Außerdem hängt es von Annahmen des Kunden bezüglich der Leistung der Alternativen ab. Wenn der Kunde mit dem Laptop – und der Marke als Ganzes – sehr zufrieden sind, ergibt sich eher eine stärkere Markentreue und positives Einflüsse durch Empfehlungen an Freunde und Verwandte.

Dieses utilitaristische Modell folgt einer Sequenz von Wissen-Fühlen-Handeln. Der Kunde erkennt die Bedürfnisse und erforscht Alternativen, bis er schließlich das Modell gefunden hat, das für ihn am sinnvollsten war.

Wie wirkt sich dieses Modell auf das Marketingmanagement des Laptopverkäufers aus? Der Schlüssel zum Kaufprozess sind die Leistung des Laptops und die Bereitstellung von Informationen für den Kunden. Je mehr der Kunde weiß, desto wohler fühlt er sich mit der Entscheidung. Daher ist die größte Bedrohung im Kaufprozess eine bessere Alternative durch die Konkurrenz.

Niedriger Miteinbezug

Der Kunde hat gerade gemerkt, dass er keinen Kaugummi mehr hat. Er geht in den nächsten Supermarkt und denkt kaum nach, bevor er seine übliche Kaugummisorte kauft.

Dies ist eine Entscheidung mit niedrigem Miteinbezug. Der Kunde identifiziert sein Bedürfnis und handelt nach einer Wissen-Handeln-Fühlen-Sequenz. Der Auslöser für diesen Prozess ist Bestandsschwund. Alternativen werden, wenn überhaupt, nur passiv gesucht und bewertet. Die Alternativen werden nicht intensiv erforscht oder verglichen. Der Kunde trifft seine Wahl, weil er bereits weiß, was ihm gefällt, und kauft das Vertraute. Oft folgen Entscheidungen mit niedrigem Miteinbezug auch der Regel, das Billigste zu kaufen. Der Kunde greift lieber zum Kaugummi für einen Euro als zu dem für drei Euro. Der Preis kann also ein entscheidender Faktor sein.

Die Nutzungserfahrung des Kaugummis ist ebenso unkompliziert. Die Markentreue beruht auf Gewohnheit und Trägheit – warum sollte der Kunde die Kaugummi-Marke wechseln, die er schon immer gemocht hat? Hier beruht die Zufriedenheit auf dem Fehlen von Negativen, da beim Kaugummikauen nicht viel schief gehen kann. Jede Entscheidung, die der Kunde trifft, würde seine Bedürfnisse erfüllen. Dementsprechend wird der Kunde auch regelmäßig seine übliche Wahl kaufen, nämlich immer dann, wenn der Kaugummi aufgebraucht wurde.

Wie wirkt sich dieses Modell auf das Marketingmanagement des Kaugummiverkäufers aus? Die Schlüssel zum Kaufprozess sind die Wiedererkennung der Marke und die gesicherte Produktverfügbarkeit. Die Gefahren für diesen Prozess sind Unterbrechungen im Kaufzyklus.

Hedonistisch

Ein Kunde läuft durch ein Einkaufszentrum und sieht ein Paar Stiefel in einem Schaufenster. Er weiß, dass er sie haben muss: Sie sind stilvoll und von einer bekannten Marke. Der Kunde überlegt sich, er könnte sie ja jetzt einfach kaufen, bevor er die Gelegenheit verpasst. Dies ist ein hedonistischer Verhaltensprozess, der eher Wünschen als Bedürfnissen folgt.

In dieser Situation folgt die Kaufentscheidung Prozess von Fühlen-Handeln. Der Kunde will die Stiefel, also kauft er sie, impulsiv. Der Kunde hatte nicht geplant, sie zu kaufen, sondern hat sie zufällig in einem Schaufenster gesehen. Hier steht der Preis nicht im Vordergrund, auch wenn die Stiefel im Angebot sind. Vielmehr hilft es dem Kunden, seine impulsive Entscheidung zu kaufen, was ihm gefällt, zu rationalisieren.

Der Kauf dieser Stiefel beruhte auch auf Markenimage. Die Loyalität gegenüber der Marke basiert auf einem affektivem Commitment. Ist der Kunde mit den Stiefeln zufrieden? Mag er sie? Wie zufrieden der Kunde mit seinem Einkauf ist, hängt auch davon ab, wie gut das abgebildete Markenimage mit den tatsächlichen Erfahrungen mit den Stiefeln übereinstimmt. Wenn zum Beispiel das Markenimage von hoher Qualität ist und die Stiefel in der ersten Woche des Tragens auseinander fallen, würde der Kunde mit dem Kauf unzufrieden sein und würden diese Marke wahrscheinlich nicht wieder kaufen.

Wie wirkt sich dieses Modell auf das Marketingmanagement des Stiefelverkäufers aus? Der Kaufprozess beruht auf einer klaren Artikulation des Markenimages. Als der Kunde die Schuhe im Schaufenster sah, spiegelte das Image der Marke ein stilvolles und hochwertiges Produkt wider. Die Bedrohung des Kaufprozesses wäre daher eine Veränderung des Markenimages. Das Marketing muss also sicherstellen, dass das Markenimage stark bleibt und den Konsumenten kommuniziert wird.

Zusammenfassung

Kunden sind individuell. Das bedeutet auch, dass die Kaufentscheidungen individuell ablaufen. Ein schönes Beispiel sind Sportschuhe. Manche Kunden nutzen ihre Sportschuhe, bis sie kaputt sind, und kaufen anschließend neue. Möglicherweise basiert dies auf ausführlicher Recherche (utilitaristisch), oder der Kunde kauft einfach die gleichen Schuhe wie immer (Niedriger Miteinbezu). Andere Kunden sehen tolle Sportschuhe im Schaufenster, und kaufen diese einfach (hedonistisch).

Damit Marketing effizient sein kann, ist es natürlich zentral wichtig, dass die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden verstanden werden. Gleichzeitig müssen die Entscheidungsprozesse der Kunden (oder Kundengruppen) verstanden werden, damit der Entscheidungsprozess durch Marketing effizient beeinflusst werden kann.

Marketingmanagement I: Übersicht

This entry is part 1 of 9 in the series Marketingmanagement
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Ohne Kunden kein Unternehmen – diese Formel klingt simpel. Gleichzeitig fordert sie heraus, Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen radikal aus der Kundenperspektive zu betrachten.

Diese Aufgabe, die Kundenperspektive für das Unternehmen zu analysieren, wird als Marketingmanagement bezeichnet. Diese Artikelserie will Marketingmanagement beschreiben. Dazu wird die Marketingstrategie in drei Teile zerlegt: Analyse, Strategie und Handlung. Das so entstandene Framework wird in diesem Artikel diskutiert.

Analyse: Die fünf C
  • Kunde (Customer): Was sind die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden? Wessen Bedürfnisse können gewinnbringend befriedigt werden? Wie kann Marketing einen Mehrwert für diesen Kunden schaffen und seinen Entscheidungsprozess beeinflussen? Wer ist im B2B-Kontext Teil der Entscheidung?
  • Unternehmen (Company): Welche Kernkompetenzen (z.B. Ressourcen, Fachkenntnisse) hat oder braucht das Unternehmen, damit die Anforderungen des Kunden erfüllt werden können? Worin ist das Unternehmen sehr, sehr gut? Was unterscheidet das Unternehmen von anderen Firmen auf dem Markt, indem es Wert für den Kunden schafft?
  • Wettbewerb (Competitor): Gibt es weitere Unternehmen, die die Bedürfnisse des Kunden erfüllen oder erfüllen wollen? Falls der Kunde nicht das eigene Produkt wählt, um sein Problem zu lösen, wessen Produkt wird stattdessen gewählt? Grundsätzlich sollen hier sowohl aktuelle als auch aufstrebende Wettbewerber einbezogen werden.
  • Partner (Collaborators): Gibt es andere Unternehmen, mit denen eine Zusammenarbeit erforderlich oder hilfreich ist, um die Bedürfnisse Ihrer Kunden zu erfüllen? Wird z.B. Unterstützung bei der Herstellung benötigt? Oder muss vielleicht ein Teil oder eine Technologie eingekauft werden, damit das Produkt oder die Dienstleistung Erfolg haben?
  • Umfeld (Context): Welche Umweltfaktoren begrenzen oder erweitern die Fähigkeiten des Unternehmens? Diese Faktoren können politische, wirtschaftliche, soziale / kulturelle, technologische, ökologische oder rechtliche Faktoren sein. Was passiert auf dem Markt, auf dem das Unternehmen tätig ist? Wie kann der Markt (und das Unternehmen) zu Erfolg oder Misserfolg gelenkt werden?

 

Strategie: STP
  • Segment: Kann der Kunde in Kundengruppen unterteilt werden? Der effektivste Ansatz besteht darin, sie nach Wünschen und Bedürfnissen in Bezug auf das Produkt zu gruppieren. Die meisten Unternehmen segmentieren auch nach demografischen Merkmalen und nach psychographischen und Verhaltensunterschieden.
  • Ziel (Target): Targeting ist der Prozess der Entscheidung, welches Segment zuerst mit dem Marketingplan angegangen werden soll, und ob bzw. in welcher Reihenfolge durch die verbleibenden adressierbaren Segmente vorgegangen werden soll. Dabei sollten die Stärken und Schwächen des Unternehmens, die Ziele, die benötigten Ressourcen, die verfügbaren Mitarbeiter und die möglichen finanziellen Erträge jedes Segments berücksichtigt werden.
  • Position: Wie wird das Angebot den Kunden präsentiert? Positionierung beinhaltet die Entwicklung einer Positionierungsaussage, die den Zielkunden, seine Wünsche, den Produkttyp / die Produktkategorie und den Hauptnutzen des Produkts identifiziert.

 

Handlung: Die vier P
  • Produktpolitik (Product): Durch Produkte, Dienstleistungen und Erfahrungen wird Wert für den Kunden geschaffen. In welchem Maße benötigt der Kunde ein komplettes Produkt oder eine „schlüsselfertige Komplettlösung“? Wie kann maximaler Wert für den Kunden geschaffen werden, sodass der Kunde zum Kauf bewegt wird?.
  • Kommunikation (Promotion): Kommunikation macht Kunden auf das Angebot aufmerksam und baut die Marke auf, die dieses Angebot und das Unternehmen identifiziert. Hauptziel ist es, Markenbewusstsein zu schaffen und Markenwerte aufzubauen, indem Folgendes definiert wird: Markenidentität, Markenbedeutung, Markenreaktionen und Markenbeziehungen.
  • Vertriebspolitik (Place): Welcher Vertriebskanal ist am besten geeignet, um den Kunden Zugang zum Produkt zu bieten? Dies kann einen einzigen exklusiven Vertriebskanal oder mehrere Kanäle (Omnichannel) umfassen, wie zum Beispiel Online-Shops, Einzelhändler oder eigene Verkaufsstellen.
  • Preispolitik (Price): Wie kann der geschaffene Wert quantifiziert werden? Wie viel ist der Kunde bereit, für diesen Wert zu zahlen?

 

Übersicht der Beiträge

Da allein diese Einleitung bereits einige Worte enthält, wird die Detailbeschreibung dieser Punkte in einige Artikel unterteilt und dann nach und nach hier verlinkt. Derzeit sieht mein Plan so aus:

  1. Übersicht: Hier wird das Framework vorgestellt.
  2. Kundenanalyse: Der zweite Teil beginnt mit der Analyse, auf der dann Strategie und Handlung aufbauen. Besonderer Fokus liegt hierbei auf dem Kunden, welcher eines der fünf C’s darstellt.
  3. Strategie: Hier wird eine Strategie formuliert. Grundlage starker Strategien ist die Analyse, deren Ergebnisse regelmäßig geprüft werden müssen.
  4. Produktpolitik: Nun beginnt der Bereich Handlung mit dem ersten P. Begonnen wird mit Produkten, denn Entscheidungen über Produkte (und Dienstleistungen) können zur aktuellen Strategie beitragen.
  5. Kommunikation: Das zweite P stellt das Element des Marketings dar, das für die meisten Menschen am auffälligsten und bekannt ist: Werbung und Branding.
  6. Vertriebspolitik: Das dritte P der Handlungsphase wird in diesem Teil erläutert.
  7. Preispolitik: Das vierte P stellt die Preisstrategie dar, die den strategischen Zielen am besten entspricht. Gleichzeitig bildet dies den Abschluss der Handlungsphase, da dies das letzte verbliebene P darstellt.
  8. Kundenzentriertes Marketing: Es wurden Analysephase, intensive Strategie- und Handlungsphase durchlaufen. Nun folgt wieder die Analyse. In diesem letzten Teil wird all dies zum Kundenbeziehungsmanagement verbunden, denn Kunden sollen ja auch nach dem Kauf loyal sein.
  9. Agile Perspektive: Eine Reflektion der Theorie aus agiler Perspektive.

Meine Seite ist CO2-neutral

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten.

Es gibt CO2-neutrale Internetseiten?

Anders gefragt: Es entsteht CO2 durch Internetseiten? Ja.

Nach einer Studie von Dr. Alexander Wissner-Gross, Umweltaktivist und Harvard-Physiker, verursacht eine durchschnittliche Internetseite ca. 0,02g CO2 pro Seitenaufruf. Angenommen ein normaler Blog besitzt 15.000 Seitenaufrufe im Monat, ergibt dies einen jährlichen CO2-Ausstoß von 3,6kg. Zurückzuführen ist dieser Wert hauptsächlich auf den immensen Stromverbrauch, der durch die Nutzung von (Groß-)Rechnern, Servern und deren notwendige Kühlung anfällt.

Quelle: http://www.kaufda.de/umwelt/co2-neutral/1-baum-1-blog-so-funktionierts/.

Dieser Verbrauch kann durch das Pflanzen von Bäumen kompensiert werden. Genau dies wird von der Aktion „Mach’s grün“, die Umweltinitiative von kaufDA, und „I Plant a Tree“, einer gemeinnützigen GmbH getan. Aber wie viel CO2 nimmt ein Baum pro Jahr auf?

Der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), das internationale Umweltabkommen der Vereinten Nationen, rechnet, dass ein Baum pro Jahr etwa 10kg CO2 absorbiert.

Quelle: http://www.kaufda.de/umwelt/co2-neutral/1-baum-1-blog-so-funktionierts/.

Es ist also sehr wahrscheinlich, dass meine Internetseite für die Lebenszeit eines Baumes CO2-neutral ist.


Online-Prospekte umweltfreundlich

Aufklärung entscheidender struktureller Aspekte einer enantioselektiven Peptid-katalysierten Acylierung mittels moderner NMR-Techniken

Geschätzte Lesezeit: < 1 Minute.

E. Procházková, A. Kolmer, J. Ilgen, M. Schwab, L. Kaltschnee, M. Fredersdorf, V. Schmidts, R. C. Wende, P. R. Schreiner, C. M. Thiele
Uncovering Key Structural Features of an Enantioselective Peptide-Catalyzed Acylation Utilizing Advanced NMR Techniques
Angew. Chem. 2016, 128, 15986–15991, Angew. Chem. Int. Ed. 2016, 55, 15754–15759.

Evaluation der Genauigkeit von Abständen aus NOE-Daten II

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten.

C. M. Thiele, A. Kolmer
Response to “Comment on „Conformational Analysis of Small Organic Molecules using NOE and RDC data: A discussion of strychnine and alpha-methylene-gamma-butyrolactone“” by I. A. Khodov, M. G. Kiselev, V. V. Klochkov, S. V. Efimov – or Life is about compromises
J. Magn. Reson. 2016, 266, 69-72.

Eine meiner Veröffentlichungen beschäftigt sich mit der Evaluation der Genauigkeit von Abständen aus NOE-Daten.1A. Kolmer, L. J. Edwards, I. Kuprov C. M. Thiele, J. Magn. Reson. 2015, 261, 101–109. Dazu werden unter anderem die Ergebnisse verschiedener Näherungsverfahren zur Mittelung von Abständen diskutiert.

Diese Verfahren lösten anscheinend Unzufriedenheit aus, denn ein Kommentar zweifelte an der Gültigkeit dieser Näherungsverfahren und verlangte stattdessen eine exakte Behandlung der Mittelungen.2I. A. Khodov, M. G. Kiselev, S. V. Efimov, V. V. Klochkov, J. Magn. Reson. 2016, 266, 67-68.

In dieser Antwort auf den Kommentar wird gezeigt, dass diese literaturbekannte Mittelung3J. Tropp, J. Chem. Phys. 1980, 72, 6035-6043. 4D. Neuhaus, M. P. Williamson, The Nuclear Overhauser Effect in Structural and Conformational Analysis, 2 Aufl., Wiley, Chichester, 2000. eine valide Annahme darstellt. Gleichzeitig führt ihre Anwendung zu einer besseren Beschreibung der experimentellen Daten. Daher wird die im Kommentar vorgeschlagene Vorangehensweise als unpraktisch zurückgewiesen.

Aufklärung des Photozersetzungsmechanismus zweier N-Heterotetracene

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten.

N. Kolmer-Anderl, A. Kolmer, C. M. Thiele, M. Rehahn
Exploration of the photodegradation of naphtho[2,3-g]quinoxalines and pyrazino[2,3-b]phenazines
Chem. Eur. J. 2016, 22, 5277-5287.

2,3-Dimethylnaphtho[2,3-g]chinoxalin 1 ist ein Vertreter der Klasse der Naphtho[2,3-g]chinoxaline, die von Kolmer-Anderl und Rehahn als funktionale Binder in anorganisch-organischen Feldeffekttransistoren entwickelt wurden.1N. Kolmer-Anderl, N-Heteroacene als funktionale Halbleiter in anorganisch-organischen Feldeffekttransistoren, Dissertation, TU Darmstadt, 2014. Das LUMO-Energieniveau dieser Molekülklasse kann durch die variablen Substitutionen (im Falle von 1 entsprechen die Substituenten zwei Methylgruppen) variiert und somit idealerweise an die Leitungsbandkante des anorganischen Partners angepasst werden. Außerdem bietet sie dank ihrer Löslichkeit in organischen Lösemitteln die Möglichkeit, durch Druckprozesse verarbeitet zu werden.

Zur Verwendung der Verbindungen in Feldeffekttransistoren ist es wichtig, dass sie zersetzungsstabil gegenüber Licht sind. Die Verarbeitung durch Druckprozesse fordert weiterhin eine Stabilität gegenüber Sauerstoff in Lösung. Es soll daher anhand des für die Molekülklasse der Naphtho[2,3-g]chinoxaline beispielhaften 2,3-Dimethylnaphtho[2,3-g]chinoxalins 1 herausgefunden werden, ob und wie eine Zersetzung unter Einfluss von Licht und Sauerstoff stattfindet.

Analog zu Tetracen2D. W. Bjarneson, N. O. Petersen, J. Photochem. Photobiol. A 1992, 63, 327–335. kann angenommen werden, dass 2,3-Dimethylnaphtho[2,3-g]chinoxalin 1 entweder einer Oxidation über die Peroxide 2 zu den Chinonen 3 unterliegt. Alternativ ist eine [4+4]-Cycloaddition denkbar,3J. Reichwagen, H. Hopf, A. Del Guerzo, J.-P. Desvergne, H. Bouas-Laurent, Org. Lett. 2004, 6,1899–1902. 4A. G. L. Olive, A. Del Guerzo, J.-L. Pozzo, J.-P. Desvergne, J. Reichwagen, H. Hopf, J. Phys. Org. Chem. 2007, 20, 838–844. deren Produkte die Dimere 4 darstellen.

tetracen-1
Mögliche Photooxidation von 2,3-Dimethylnaphtho[2,3-g]chinoxalin 1.

tetracen-2
Mögliche Dimerisierungsprodukte von 2,3-Dimethylnaphtho[2,3-g]chinoxalin 1.

Sowohl 1 als auch die Zersetzungsprodukte sind als starr anzusehen. Aufgrund der Spiegelsymmetrie sowie des geringen Protonierungsgrades der Verbindungen ist davon auszugehen, dass nur wenige strukturaufklärungsrelevante Informationen erhalten werden können. Daher wird die Frage der Konstitution der Zersetzungsprodukte durch Kombination der Aufnahme von HMBC-Spektren und der Berechnung chemischer Verschiebungen untersucht.

2,3-Dimethylnaphtho[2,3-g]chinoxalin 1 wurde in THF-d8 gelöst, das NMR-Röhrchen verschlossen und die Lösung mit einer Glühbirne (100 W) bestrahlt. Nach jeweils einer Stunde Bestrahlung wurden 1H-Spektren aufgenommen, die zeigten, dass eine Zersetzung stattfindet. Nach fünf Stunden sind keine Signale von 1 mehr sichtbar. Außerdem erscheinen neue Signale, die durch Aufnahme von HSQC- und HMBC-Spektren nach vier Stunden Bestrahlungszeit und Vergleich mit berechneten chemischen Verschiebungen den Peroxiden 2a und 2b zugeordnet werden konnten. Im weiteren Verlauf der Bestrahlung erscheinen auch Signale der Chinone 3a und 3b. Der Hauptzersetzungspfad wird dabei durch 2b und 3b dargestellt.

Durch Verschließen einer Probe unter Vakuum konnte eine sauerstofffreie Lösung hergestellt werden. Erneut wurden 1H-Spektren aufgenommen, in denen jedoch keine Oxidation mehr zu erkennen ist. Stattdessen erschienen Signale, die durch Vergleich mit berechneten chemischen Verschiebungen den Dimeren 4g4l zugeordnet wurden.

Aus diesen Untersuchungen konnten zwei Rückschlüsse gezogen werden: Erstens ist eine Unterdrückung der Chinonbildung durch sauerstofffreie Verarbeitung von 1 möglich. Zweitens ist die reaktivste Position von 1 diejenige, deren Reaktion zu 2b und 3b führt.

Zur Blockierung dieser reaktivsten Position wurden daher von Kolmer-Anderl weitere Stickstoffatome an Stelle der reaktivsten CH-Gruppe in das Molekülgerüst eingeführt. Dies führt zur Klasse der Pyrazino[2,3-b]phenazine,5A. M. Amer, A. A. El-Bahnasawi, M. R. H. Mahran, M. Lapib, Monatsh. Chem. 1999, 130, 1217–1225. und gleichzeitig zu einer weiteren Absenkung der LUMO-Energieniveaus. Auch diese Klasse wurde auf Zersetzungsreaktionen untersucht. Dies geschah an 2,3-Dimethylpyrazino[2,3-b]phenazin 5. Für 5 sind erneut sowohl Oxidationsreaktionen zu den Peroxiden 6 und den Chinonen 7 als auch [4+4]-Cycloadditionen zu den Dimeren 8 als Zersetzungsmechanismen denkbar.

tetracen-3
Mögliche Photooxidation von 2,3-Dimethylpyrazino[2,3-b]phenazin 5.

tetracen-4
Mögliche Dimerisierungsprodukte von 2,3-Dimethylpyrazino[2,3-b]phenazin 5.

Aufgrund der geringen Löslichkeit von 5 in THF-d8 konnten die Zersetzungsprodukte der Bestrahlung nicht aufgeklärt werden. Es zeigte sich aber, dass die Zersetzung deutlich langsamer stattfindet, da nach 20 Stunden Bestrahlungszeit noch signifikante Mengen von 5 vorhanden waren.

Zur Aufklärung der Zersetzungsprodukte wurde 2,3-Dimethylpyrazino[2,3-b]phenazin 5 daher auch in CDCl3 gelöst. Die Zersetzung findet darin noch langsamer als in THF-d8 statt, nach 61 Stunden sind noch ca. 45% von 5 vorhanden. Außerdem können die Zersetzungsprodukte zugeordnet werden. Erneut bildet sich zuerst das Peroxid 6a, allerdings in deutlich geringeren Mengen als im Falle des 2,3-Dimethylnaphtho[2,3-g]chinoxalins 1. Die Weiterreaktion zu Chinon 7a kann ebenfalls beobachtet werden, ist aber ebenfalls deutlich langsamer als zuvor. Gleichzeitig finden sich Signale, die durch Vergleich mit berechneten chemischen Verschiebungen den Dimeren 8c und 8d zugeordnet werden konnten.

Zusammenfassend konnten die Zersetzungsmechanismen von 2,3-Dimethylnaphtho[2,3-g]chinoxalin 1 unter Lichteinfluss bei Sauerstoffan- und -abwesenheit aufgeklärt werden. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass die Einführung zweier zusätzlicher Stickstoffatome die Oxidationsempfindlichkeit von 2,3-Dimethylpyrazino[2,3-b]phenazin 5 im Vergleich zu 2,3-Dimethylnaphtho[2,3-g]chinoxalin 1 deutlich reduziert, sodass auch unter Sauerstoffatmosphäre verarbeitet werden kann. Gleichzeitig zur erhöhten Stabilität konnte von Kolmer-Anderl auch gezeigt werden, dass die LUMO-Energieniveaus abgesenkt werden, was für die Verwendung der Molekülklasse in organischen Feldeffekttransistoren vorteilhaft ist.

Aufklärung von Struktur-Reaktivitäts-Beziehungen komplexer organischer Moleküle mit moderner NMR-Spektroskopie

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A. Kolmer
Aufklärung von Struktur-Reaktivitäts-Beziehungen komplexer organischer Moleküle mit moderner NMR-Spektroskopie
Dissertation, Technische Universität Darmstadt 2015, Link.

Die vorliegende Dissertation leistet Beiträge zum Verständnis verschiedener Reaktionen komplexer organischer Moleküle mit moderner NMR-Spektroskopie. Dazu wird an verschiedenen Beispielen gezeigt, welchen Einfluss die molekulare Flexibilität auf die Wahl der passenden Methode oder Methodenkombination besitzt.

Im Rahmen dieser Dissertation konnten mehrere Erfolge erzielt werden. Erstens konnte die Genauigkeit und Anwendbarkeit der NOE- und RDC-Analyse deutlich verbessert werden. Zweitens gelang es, die Komplementarität der NOE- und RDC-Analyse an verschiedenen Beispielen zu demonstrieren. Drittens konnten dadurch verschiedene komplizierte Strukturaufklärungsprobleme gelöst werden, wodurch verschiedene Struktur-Reaktivitäts-Beziehungen aufgeklärt werden konnten. Die untersuchten Beispiele umfassten dabei drei Klassen der organischen Synthese: Photoreaktionen, katalysierte Reaktionen und Syntheseprodukte.

Evaluation der Genauigkeit von Abständen aus NOE-Daten I

Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten.

A. Kolmer, L. J. Edwards, I. Kuprov C. M. Thiele
Conformational analysis of small organic molecules using NOE and RDC data: A discussion of strychnine and α-methylene-γ-butyrolactone
J. Magn. Reson. 2015, 261, 101–109.

Die Extraktion von genauen Abständen aus NOE-Daten wird evaluiert. Dazu wird eine Auswertungssoftware entwickelt und die Ergebnisse mit RDC-Ergebnissen verglichen, um Stärken und Schwächen beider Methoden herauszufinden.

Die von Butts et al.1C. P. Butts, C. R. Jones, J. N. Harvey, Chem. Commun. 2011, 47, 1193–1195. an Strychnin 1 diskutierte Methode zur Extraktion genauer Abstände aus NOE-Daten enthält verschiedene Annahmen, die zu Über- oder Falschinterpretationen der Ergebnisse führen könnten. Es wäre daher möglich, dass die Schlussfolgerung von Butts et al., die experimentell bestimmten Abstände nur durch konformationelle Flexibilität im Siebenring erklären zu können, im Falle der Ungültigkeit dieser Annahmen eine Fehlinterpretation darstellt. Daher müssen diese Annahmen überprüft werden.

strychninlacton-1
Die untersuchten Moleküle.

Gegen die Gültigkeit dieser Annahmen sprechen die folgenden möglichen Probleme oder Fehlerquellen. Die von Butts et al. verwendete Probe von Strychnin 1 wurde unter Sauerstoffatmosphäre abgeschmolzen. Allerdings gilt Sauerstoff als paramagnetischer Relaxationspartner, dessen Anwesenheit zu einer Veränderung der NOE-Intensitäten führen kann. Außerdem wurde ein einziger Datenpunkt bei einer Mischzeit von 500 ms aufgenommen, sodass die Gültigkeit der initial-rate-approximation nicht überprüft werden kann. Zusätzlich ist fraglich, ob die Wartezeit zwischen den Scans, die auf 1 s gesetzt wurde, ausreichend für komplette Relaxation ist bzw. ob trotz unterschiedlicher Relaxationszeitkonstanten ein „stationärer“ quantifizierbarer Zustand entsteht.

Neben diesen experimentellen Aspekten ist zu berücksichtigen, dass bei 600 MHz stark gekoppelte Protonen vorliegen. Trotz der Verwendung eines Moduls zur ZQS2M. J. Thrippleton, J. Keeler, Angew. Chem. Int. Ed. 2003, 42, 3938–3941. 3K. E. Cano, M. J. Thrippleton, J. Keeler, A. Shaka, J. Magn. Reson. 2004, 167, 291–297. 4M. J. Thrippleton, R. A. E. Edden, J. Keeler, J. Mag. Reson. 2005, 174, 97–109. ist es möglich, dass dieses abhängig von Kopplungskonstanten nicht effektiv arbeitet.5K. E. Cano, M. J. Thrippleton, J. Keeler, A. Shaka, J. Magn. Reson. 2004, 167, 291–297. Ein weiteres mögliches Artefakt entsteht durch Spindiffusion. Obwohl Spindiffusion nichtlinear sein sollte,6D. Neuhaus, M. P. Williamson, The Nuclear Overhauser Effect in Structural and Conformational Analysis, 2 Aufl., Wiley, Chichester, 2000. 7S. Macura, B. T. Farmer II, L. R. Brown, J. Magn. Reson. 1986, 70, 493–499. ist es möglich, dass diese Nichtlinearität durch Streuung der Datenpunkte nicht entdeckt wird.

Um diese möglichen Fehlerquellen zu untersuchen und auszuschließen, wurden Mischzeitserien von 50 – 400 ms in Schritten von 25 ms des 1D PFGSE NOE-Experiments8J. Stonehouse, P. Adell, J. Keeler, A. J. Shaka, J. Am. Chem. Soc. 1994, 116, 6037–6038. 9K. Stott, J. Stonehouse, J. Keeler, T.-L. Hwang, A. J. Shaka, J. Am. Chem. Soc. 1995, 117, 4199–4200. 10K. Stott, J. Keeler, Q. N. Van, A. J. Shaka, J. Magn. Reson. 1997, 125, 302–324. mit ZQS11M. J. Thrippleton, J. Keeler, Angew. Chem. Int. Ed. 2003, 42, 3938–3941. 12K. E. Cano, M. J. Thrippleton, J. Keeler, A. Shaka, J. Magn. Reson. 2004, 167, 291–297. 13M. J. Thrippleton, R. A. E. Edden, J. Keeler, J. Mag. Reson. 2005, 174, 97–109. aufgenommen und nach dem PANIC-Ansatz14S. Macura, B. T. Farmer II, L. R. Brown, J. Magn. Reson. 1986, 70, 493–499. 15H. Hu, K. Krishnamurthy, J. Magn. Reson. 2006, 182, 173–177. ausgewertet. Die Probe wurde unter Sauerstoffausschluss abgeschmolzen, und die Wartezeit zwischen den Scans wurde auf 15 s gesetzt (dies entspricht 5*T_1). Auf diese Art konnte ein Großteil der Abstände von Butts et al. reproduziert und verfeinert werden.

Der Einfluss der Nullquantenübergänge wurde durch Simulation von PANIC-Auftragungen mittels der Software SPINACH16Spinach version 1.3.1980, http://spindynamics.org/Spinach.php. 17H. J. Hogben, M. Krzystyniak, G. T. P. Charnock, P. Hore, I. Kuprov, J. Magn. Reson. 2011, 208, 179–194. 18I. Kuprov, J. Magn. Reson. 2011, 209, 31–38. 19A. Karabanov, I. Kuprov, G. T. P. Charnock, A. van der Drift, L. J. Edwards, W. Köckenberger, J. Chem. Phys. 2011, 135, 084106. getestet. Dazu wurden von Edwards die Möglichkeit konformationeller Flexibilität von Strychnin 1 sowie ein ZQS-Modul zur Verwendung in SPINACH entwickelt.

Dabei stellte sich heraus, dass das ZQS-Modul nicht immer perfekt arbeitet. Trotzdem stimmten die simulierten PANIC-Auftragungen nur dann mit den experimentellen überein, wenn konformationelle Flexibilität berücksichtigt wurde. Dies führt zur Schlussfolgerung, dass selbst wenn die bestimmten Abstände Nullquantenartefakte aufweisen, trotzdem konformationelle Flexibilität nötig ist, um die experimentellen Daten zu erklären. Da außerdem durch die Wahl der Größe des Basis-Sets auch Spindiffusion korrekt beschrieben werden kann, bedeutet dies analog, dass auch Spindiffusion keinen oder einen zu vernachlässigenden Einfluss auf den bestimmten Abstand hat.

Zur korrekten Beschreibung der Mittelung durch konformationelle Flexibilität bei der Auswertung von NOE-Daten wurde die Software WEEDHEAD entwickelt. Diese Software basiert auf dem Ansatz, dass durch Gleichung 1 gemittelte Abstände mit experimentellen Abständen verglichen werden sollen. Dazu werden Qualitätsfaktoren verwendet. Dabei wird keine Strukturoptimierung durchgeführt, stattdessen wird anhand der vorgegebenen Strukturvorschläge nach Minima der Konformerenpopulationen gesucht. Als Eingabedateien werden Strukturvorschläge als .xyz-Dateien sowie eine Datei mit den gemessenen Abständen benötigt.

r_{IS,\text{mittel}} = \left( \sum_{\mu = 1}^N \frac{p_\mu}{r_{IS,\mu}^6} \right) ^{- \frac{1}{6}}
Gleichung 1.

Mit Hilfe der bestimmten Abstände und der Software WEEDHEAD konnte ein Minimum des Qualitätsfaktors gefunden werden, welches der besten Übereinstimmung von gemittelten und experimentellen Daten entspricht. Dies liegt für Strychnin 1 bei 98% des Haupt- und 2% des Konformers mit alternativer Konformation des Siebenrings. Außerdem konnte die von Bifulco et al.20G. Bifulco, R. Riccio, G. E. Martin, A. V. Buevich, R. T. Williamson, Org. Lett. 2013, 15, 654–657. postulierte Flexibilität im Fünfring nicht beobachtet werden.

In der Literatur vorhandene RDC-Daten21C. M. Thiele, S. Berger, Org. Lett. 2003, 5, 705–708. 22C. M. Thiele, J. Org. Chem. 2004, 69, 7403–7413. 23 B. Luy, K. Kobzar, H. Kessler, Angew. Chem. 2004, 116, 1112–1115. 24N.-C. Meyer, A. Krupp, V. Schmidts, C. M. Thiele, M. Reggelin, Angew. Chem. 2012, 124, 8459–8463. 25N.-C. Meyer, Helikal chirale Polyacetylene in Katalyse und Analytik, Dissertation, TU Darmstadt, 2012. konnten mittels der MCST-Methode von RDC@hotFCHT26V. Schmidts, Entwicklung einer Auswertungssoftware zur Anwendung Residualer Dipolarer Kopplungen in der organischen Strukturaufklärung, Dissertation, TU Darmstadt, 2013. ebenfalls auf ihren Informationsgehalt bezüglich konformationeller Flexibilität des Siebenrings überprüft werden. Die Unterschiede der Qualitätsfaktoren sind allerdings nicht signifikant, sodass die RDC-Daten nur Hinweise auf Flexibilität beinhalten.

Nachdem die genaue Bestimmung von Distanzen aus NOE-Daten und deren Beschreibung implementiert ist, soll nun deren Robustheit geprüft werden. Dazu wird ein Molekül ausgewählt, das flexibler ist als Strychnin 1.

Für α-Methylen-γ-butyrolacton 2 existieren umfassende Studien zur Bestimmung konformationeller Flexibilität aus RDC-Daten.27C. M. Thiele, A. Marx, R. Berger, J. Fischer, M. Biel, A. Giannis, Angew. Chem. 2006, 118, 4566–4571. 28C. M. Thiele, V. Schmidts, B. Böttcher, I. Louzao, R. Berger, A. Maliniak, B. Stevensson, Angew. Chem. 2009, 121, 6836–6840. 29C. M. Thiele, A. Maliniak, B. Stevensson, J. Am. Chem. Soc. 2009, 131, 12878–12879. 30B. Böttcher, Studien zu Konformation und Dynamik eines Palladium-Allyl-Komplexes und eines Wirkstoffes mit residualen dipolaren Kopplungen, Dissertation, TU Darmstadt, 2011. Ursprünglich war die Konfiguration der beiden Stereozentren im flexiblen Fünfring unbekannt, diese konnte mit RDCs zu trans bestimmt werden.31C. M. Thiele, A. Marx, R. Berger, J. Fischer, M. Biel, A. Giannis, Angew. Chem. 2006, 118, 4566–4571. Die Population des Hauptkonformers wurde dabei per MCST zu 60%, per MCMT zu 65% und per Kopplungskonstantenanalyse zu 60% bestimmt.32C. M. Thiele, V. Schmidts, B. Böttcher, I. Louzao, R. Berger, A. Maliniak, B. Stevensson, Angew. Chem. 2009, 121, 6836–6840. 33C. M. Thiele, A. Maliniak, B. Stevensson, J. Am. Chem. Soc. 2009, 131, 12878–12879. 34B. Böttcher, Studien zu Konformation und Dynamik eines Palladium-Allyl-Komplexes und eines Wirkstoffes mit residualen dipolaren Kopplungen, Dissertation, TU Darmstadt, 2011.

Nun sollte anhand des α-Methylen-γ-butyrolactons 2 getestet werden, ob mittels des NOEs ebenfalls gleichzeitig Konfiguration und Konformation bestimmt werden können. Dazu wurden erneut quantitative NOE nach der an Strychnin 1 erprobten Methode bestimmt. Anschließend wurde die Software WEEDHEAD erweitert, damit Mittelungsvorgänge von Methylgruppen nach Gleichung 2 korrekt beschrieben werden. Die beste Übereinstimmung zwischen experimentellen und gemittelten Daten wurde für die trans-Konfiguration beim Konformerenverhältnis 67:33% gefunden.

r_{IS,\text{Tropp}} \geq \left(\frac{1}{N} \sum_{\mu = 1}^N \frac{1}{r_{IS,\mu}^3} \right) ^{- \frac{1}{3}}
Gleichung 2.

Dieses Ergebnis ist in exzellenter Übereinstimmung mit dem Ergebnis der RDC-Analyse. Es konnte deshalb gezeigt werden, dass genaue NOE extrahiert werden können. Diese können so wie RDC-Daten zur Konfigurations- und Konformationsanalyse genutzt werden. Im Falle von Strychnin 1 ist es durch die NOE-Analyse sogar möglich, Flexibilität zu detektieren, die anhand der RDC-Daten nicht eindeutig sichtbar ist. Um die Stärken beider Methoden auszunutzen, ist es daher empfehlenswert, beide Parameter komplementär zu verwenden.